Birgit Branczeisz

Es ist Zeit für den Hummel-Kuss

Dresden. In einer Woche kommen die ersten Hummeln bei Sachsens Obstbauern an.

Bienen sind fleißig, davon künden Gedichte, Lieder und Kinderbücher. Hummeln brummeln durch die Wiesen, etwas schwerfällig und träge. So richtig zu etwas nütze scheinen sie erst auf den zweiten Blick zu sein - alles nur schlechte Publicity. Hummeln arbeiten schneller und länger als Bienen. Ihr Arbeitstag beginnt schon kurz nach Sonnenaufgang und endet, wenn die Sonne längst schlafen gegangen ist.

Außerdem ist eine Hummel-Königin ab etwa zwei Grad Celsius aktiv, die Arbeiterinnen ab sechs Grad. Bienen kommen nicht aus der Beute, eh das Thermometer wenigstens acht Grad anzeigt. In manchen Frühjahren entscheiden diese paar Grad aber über Erfolg und Misserfolg einer ganzen Ernte, und die Hummeln machen die Arbeit des Bestäubens beim Hobbygärtner oft unbemerkt fast allein - während die Biene wie selbstverständlich das Lob einheimst.

Knutschflecken sind ein Muss

Hummeln besuchen viel mehr Blüten als Bienen, was der erfahrene Obst- und Gemüsebauer zu schätzen weiß. Und die Hummeln schaffen das Bestäuben dabei weitaus gleichmäßiger als Bienen. Die Biene fliegt eine Blüte an, sammelt etwas ein und steuert zur nächsten Blüte. "Die Hummel umkreist die ganze Blüte und verpasst ihr dabei viele Knutschflecken", schmunzelt Obst-Bauer Michael Görnitz aus Coswig. Tatsächlich entstehen kleine braune Stellen rund um die Blüten, der "Hummel-Kuss".

Eben jener Hummelgründlichkeit, um jede Blüte herumzulaufen, verdankt die Erdbeere ein Aussehen wie aus dem Bilderbuch. Nix Gentechnik oder Chemie - die Hummeln befruchten mit vollem Körpereinsatz sorgfältig jede Eizelle in der Blüte durch ein Pollenkorn. Wenn das passiert, geben alle Nüsschen auf der Oberfläche der Erdbeere gleichmäßig Wachstumshormone an den Fruchtkörper ab - so wachsen schöne symmetrische Erdbeeren der Handelsklasse "Extra".

Paketboten auf Extratour

An genau diesen Knutschflecken der Blüten erkennt der Obst-Bauer auch, wie die Hummeln ihren Job gemacht haben. Etwa in einer Woche kommen die ersten Hummelvölker bei Sachsens Obstbauern an - 20 braucht Görnitz für seine 2,5 Hektar unter Zelt. Angeliefert werden sie am selben Tag der Bestellung per Express mit dem Paketservice in einer Kiste mit Nistmaterial, die dann auch gleich das Hummelzuhause ist.

Unter der Kiste liegt ein kleiner Tank mit Zuckerwasserlösung, der vom Gärtner nur noch per Docht angeschlossen wird. Wenn "o`zapft is" am Futtertank - dann gewöhnen sich die Hummeln schnell an ihr neues Zuhause unterm Zelt und machen erste Ausflüge. Ausgerechnet mit ihrem dicken, bepelzten Hummel-Pops, der ihnen den Ruf von Gemütlichkeit eingebracht hat, schaffen die kleinen Insekten, was weder Maschinen noch Menschen so gleichmäßig hinbekommen.

Hummeln sind Flugkünstler

Und da die Hummeln sich noch ordentlich die Taschen an den Beinen mit Pollen vollstopfen, fliegen sie eben manchmal doch eher wie dicke Brummer, die sich kaum in der Luft halten können. Der Spruch ist bekannt: "Nach den Gesetzen der Aerodynamik können Hummeln nicht fliegen, aber sie wissen es nicht und fliegen einfach los." Ganz falsch ist der Eindruck nicht, denn Hummeln erinnern im Flugverhalten mehr an Hubschrauber als an Flugzeuge.

Unter ihren zugegeben zu kleinen Flügeln im Verhältnis zum Körpergewicht entstehen allerdings Luftwirbel, die ihnen extra Auftrieb geben, eben wie beim Hubschrauber. Denn Hummeln haben biegsame Flügel und schlagen der Physik so ein Schnippchen. Nur so sind die hübschen Brummer überhaupt in der Lage, das Doppelte ihres Körpergewichtes zu tragen. Am liebsten sind den Hummeln kräftige blaue oder rote und nicht die weißen Blüten der Erdbeeren. Das sagen Forscher.

Bloß kein blaues T-Shirt

Auch für Wild ist Blau schließlich die Warnfarbe, nicht Rot, wie für uns. Daher sind Wildwarnreflektoren am Straßenrand blau. Wer unterm Zelt arbeitet, achtet deshalb darauf, kein blaues T-Shirt zu tragen. Sonst wird er von einer Hummel-Wolke umbrummselt, und beide, Mensch und Insekt, kommen nicht zum Arbeiten.

Sollten Sie einmal eine Hummel vor der Nase haben, die ihnen scheinbar mit dem Mittelbein winkt, dann treten Sie den Rückzug an. Denn die Hummel winkt Ihnen nicht, sie kündigt ihren Angriff an. Spätestens, wenn sie laut brummt, sich auf den Rücken dreht und den Hummel-Po streckt, nehmen Sie die Nase weg.


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